Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei

Diese aus der Römerzeit stammende Lebensweisheit kennt fast jeder, oder zumindest viele. Ins Deutsche übersetzt heißt dieser Satz „Vor dem Richter und auf hoher See sind wir in Gottes Hand“. Diese Weisheit wird gerne verwendet, um die scheinbare Hilfslosigkeit im Umgang mit Recht und Gesetz auf den Punkt zu bringen. Der Satz skizziert treffend, dass die (im Grundgesetz verankerte) Unabhängigkeit der Richter (zumindest im staatlichen Rechtsweg) dafür sorgt, dass man sich nie sicher sein kann, ob man einen Prozess gewinnt oder verliert. Es gibt Sachverhalte, die vor demselben Gericht von zwei unterschiedlichen Richtern unterschiedlich entschieden wurden.

Szenenwechsel mit Rückblick:

In wenigen Tagen, am 18. November, feiert der SSV Heimbach-Weis ein – zugegebener maßen etwas ungewöhnliches – Jubiläum: An diesem Datum ist es genau 2.000 Tage her, dass die Elf von Carsten Keuler den Kreispokaltitel der A- und B-Klassen zu Hause am Kieselborn gegen die SG Feldkirchen/Hüllenberg gewinnen konnte. Eine traumhafte Kulisse von über 1.600 zahlenden Zuschauern wurde vorher und auch nachher nie wieder in einem Kreispokalfinale erreicht. Es war ein absoluter Festtag für den SSV, aber auch für den Fußball, es war ein Pokalfinale, wie man es sich in seinen Träumen ausmalt und vorstellt.

Umso nachvollziehbarer ist es daher, dass wir beim SSV durchaus nach einer Wiederholung dieses Erlebnisses und wenn möglich dieses Erfolges streben…

Daher war es für uns auch  von Anfang an klar, die unstrittige Ungerechtigkeit, welche uns im Kreispokal-Halbfinale in Niederbreitbach am 16.08.2020  nachweislich  widerfahren ist, von den Rechtsorganen prüfen und richtigstellen zu lassen.

Die Kreisspruchkammer des Fußballkreises Westerwald/Wied hatte wie bereits berichtet unserem Protest auch stattgegeben und ein Wiederholungsspiel angeordnet. Die SG Niederbreitbach zog anschließend vor die nächsthöhere Instanz, die Bezirksspruchkammer. Auch dort erkannte man den Regelverstoß des Schiedsrichters als unzweifelhaft an, spielte die Benachteiligung jedoch herunter, negierte eine Auswirkung auf das Spielgeschehen und kippte das Urteil.

Der weitere Rechtsweg

Der „normale“ Instanzenweg wäre damit beendet. Es bliebe dem SSV nur der Weg vor das ständige Schiedsgericht des Fußballverband Rheinland. Übertragen auf die zivile Gerichtsbarkeit, ist das so etwas wie der Bundesgerichtshof für die Angelegenheiten des Verbandes. Das ständige Schiedsgericht des Fußballverband Rheinland ist – anders als die Kreis- Bezirks- und Verbandsspruchkammern – ausschließlich mit Personen besetzt, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sprich mit Volljuristen.

Wir könnten exemplarisch jetzt an dieser Stelle eine Menge Fragwürdigkeiten und Unstimmigkeiten, entstanden aus dem Berufungsverfahren und Urteil der Bezirksspruchkammer vom 12.10.2020 aufzählen. So ließen sich aufführen:

  • dass die Sportgerichtsbarkeit an dieser Stelle unseres Erachtens den Pfad rechtsstaatlicher Prinzipien deutlich verlassen hat,
  • dass vor allem das Prinzip der Gewaltenteilung aus unserer Sicht deutlich verletzt wurde,
  • dass u.E. die Pflicht zur Geheimhaltung (§ 24 RO) nicht eingehalten wurde,
  • dass die Besetzung der Bezirksspruchkammer mit drei Personen inklusive Protokollführer unzweifelhaft fehlerhaft war usw., usw.

Vor allem aber könnten wir abermals zu verstehen geben, dass es uns ein absolutes Rätsel ist, wie man einen unterbliebenen Platzverweis – auch wenn nur noch wenige Minuten zu spielen waren – nicht als immanent für das weitere Spielgeschehen ansehen kann. Warum beschweren sich denn dann z.B. eigentlich ständig Spieler wegen eines Platzverweises, wenn er eh keinen Einfluss auf das Spielgeschehen hat?

Tatsächlich ist nicht jeder Regelverstoß relevant

Exkurs: Die einschränkende Bedingung des Einflusses eines Regelverstoßes auf das Spielgeschehen hat grundsätzlich einen guten Grund. Nehmen wir beispielweise an, ein Schiedsrichter sieht, dass ein Spieler eine Unterziehhose in der falschen Farbe anhat und lässt den Spieler trotzdem weiterspielen, dann handelt sich es hier um einen Regelverstoß. Ohne die vorstehende einschränkende Bedingung könnte nun die unterlegene Mannschaft wegen der falschen Radlerhose Protest einlegen. Das würde sicher am Sinn der Vorschrift vorbeigehen, weil es eine Prozessflut und eine Unmenge an Wiederholungsspielen auslösen würde. Daher ist diese einschränkende Voraussetzung für den Protest beim Regelverstoß richtig und wichtig.

Platzverweise beeinflussen nachweislich das Spielgeschehen

Bei einem Platzverweis aber liegt dieser Fall doch unzweifelhaft komplett anders. In dieser Ansicht bekräftigen uns die vielen, vielen Rückmeldungen, die wir nach der Veröffentlichung des Berufungsurteils von unabhängigen und unbeteiligten Sportkameraden erhalten haben.

Heimbach-Weis‘ Nr. 5 musste regelkonform das Spielfeld verlassen – Niederbreitbach durfte die Partie hingegen fälschlicherweise vollzählig zu Ende verteidigen.

Unter dem Strich wären also unsere Chancen bei einer erneuten Überprüfung des Urteils gar nicht so schlecht.

Sinnvolle Abwägung

Nun gilt es aber für einen gemeinnützigen Verein das Gebot der vorsichtigen Mittelverwendung zu beachten. Das bedeutet, dass man mit den unter dem Mantel der Steuerbegünstigung angesammelten Mitteln verantwortungsbewusst umgehen muss und sie nicht leichtsinnig verausgaben darf. Das gleiche Prinzip gilt natürlich für die Rechenschaft, die man als Vorstand seinen Mitgliedern gegenüber abzulegen hat. Es ist also Aufgabe der Entscheidungsträger, das Prozessrisiko zu ermitteln und die Erfolgsaussichten abzuwägen.

Wie oben beschrieben ist das Ständige Schiedsgericht des Fußballverband Rheinland ein echtes Zivilprozessgericht und daher werden dort auch wie in der staatlichen Gerichtsbarkeit unter Umständen intensive Kosten fällig. Der Streitwert wird vom Vorsitzenden nach „billigem Ermessen“ festgesetzt. Das Ganze kann also ziemlich teuer werden. Wenn wir uns sicher wären, dass wir den Prozess vor dem ständigen Schiedsgericht gewinnen, wäre das nicht so wichtig.

Hier aber schließt sich nun der Kreis:

  1. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand!

Trotz der aus unserer Sicht guten Position ist es fraglich, ob wir den Prozess gewinnen würden. Unser Vertrauen in die Gerichtsbarkeit hat doch zuletzt stark gelitten. Wenn man darüber hinaus die letzten Verfahren vor dem ständigen Schiedsgericht recherchiert (Roßbach, Basibüyük, Wirges), dann wurde stets dem Verband Recht gegeben…

  • Wofür kämpfen wir eigentlich?

Ein Kreispokalfinale sollte ein Festtag sein, so wie am 29. Mai 2015. Genau das war und ist es, was wir gerne wieder erleben wollen. Wir würden es genießen noch einmal vor einer stattlichen Kulisse und bei bestem Wetter unserer Vereinsgeschichte ein wiederum ganz besonderes Event hinzufügen zu können. Aktuell sieht es nicht danach aus, als wenn das Kreispokalfinale 2020 ein Festtag werden würde, für den es sich derart zu kämpfen lohnt. (Natürlich wissen wir, dass wir zunächst ja nur die erneute Chance hätten, ein Wiederholungsspiel gegen Niederbreitbach „gewinnen“ zu können.)

  • Alternative?

Wir haben eine gute, junge Mannschaft, die nächsten Topspieler stehen schon in den Startlöchern und wir sind – anders als offenbar viele betroffene Vereine – trotz Corona wirtschaftlich sehr gesund. Alsbald haben wir einen topmodernen Kunstrasenplatz und ein Schmuckkästchen am Kieselborn, bereits jetzt leben wir eine vorbildliche Nachwuchsarbeit und spüren rundherum eine glänzende Zukunftsperspektive. Wir werden in den nächsten Jahren bestimmt noch einmal ein Pokalfinale erreichen und dann hoffentlich eines, welches ein Festtag sein könnte.

  • Energiemanagement

Bald stehen für uns noch die Renovierung des Clubheims und weitere wichtige Schritte zur neuerlichen Verbesserung unserer Infrastruktur an. Dafür benötigen wir unsere Ressourcen und werden zielgerichtet und sinnvoll unsere Energie hierfür einsetzen.

Kreispokalfinale 2020 kann jetzt geplant werden

Nach sorgfältiger Abwägung aller Überlegungen haben wir uns daher entschieden, den Weg vor das ständige Schiedsgericht des Fußballverbandes Rheinland nicht anzutreten, sondern lieber nach vorne zu schauen und unsere Qualitäten auf und neben dem Fußballplatz weiter voran zu treiben.

Lange hing die finale Entscheidung in der Luft – jetzt beendet der SSV mit seinem Verzicht zur Anrufung des ständigen Schiedsgerichtes beim FVR das Pokalhalbfinale endgültig.

Der SG Niederbreitbach, aber auch dem SV Ataspor Unkel wünschen wir jeweils viel Glück im Kreispokalfinale.